Digitale Kluft: Vorurteil oder Realität?

Was benötigen ältere Mitarbeitende im Rahmen der digitalen Transformation wirklich? Prof. Dr. Alexandra Cloots, Prof. Dr. Sabina Misoch und Julia Reiner haben im Rahmen einer Forschungsinitiative zur digitalen Transformation an der Fachhochschule St.Gallen die (vermeintliche) digitale Kluft in Unternehmen unter die Lupe genommen. Ein Kurzinterview mit Alexandra Cloots.

Claudia Züger

Frau Cloots, was haben Sie im Rahmen des Projekts erforscht?

Alexandra Cloots: Häufig heisst es «ältere Mitarbeitende» möchten, können und wollen sich im Zuge der digitalen Transformation nicht verändern, insbesondere in Bezug auf die Nutzung neuer Technologien und die Adaption von neuen, digitalisierten Arbeitsprozessen. Diskussionen in der Praxis zeigen deutlich, dass Organisationen nicht wissen, wie sie diese vermeintliche digitale Kluft zwischen den Generationen überwinden können. Uns hat die Frage beschäftigt, ob tatsächlich eine digitale Kluft besteht oder ob diese eher gesellschaftlich konstruiert ist. Dieser Frage sind wir in einer Online-Studie, in der Mitarbeitende aller Generationen gefragt wurden und welche durch Fokusgruppen mit Führungspersonen ergänzt wurde, nachgegangen.

Und, haben Sie eine digitale Kluft identifiziert?

Cloots: Älteren Menschen wird aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters weniger Kompetenz zugesprochen. Das ist aber falsch. Sie brauchen vielleicht einen Moment länger, um sich Wissen und Kompetenzen anzueignen als ihre jüngeren Kolleginnen und Kollegen, sind aber durchaus bereit und in der Lage, die digitale Transformation zu bewältigen. Mehr noch: Sie freuen sich sogar darauf. Generell haben wir herausgefunden, dass eine positive Einstellung zur Digitalisierung überwiegt. Es müssen also die passenden Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit der Wandel für alle gelingt.

Was braucht es denn konkret, damit der Wandel gelingt?

Cloots: Grundsätzlich braucht es dafür gar nicht so viel: Vor allem muss Zeit zur Verfügung gestellt werden. Sobald sich ältere Mitarbeitende Wissen oder (digitale) Kompetenzen angeeignet haben, sind sie in der Anwendung neuer Technologien gleich schnell wie ihre jüngeren Kolleginnen und Kollegen. Zusätzlich empfehlen wir Möglichkeiten zum (Wissens-)Austausch. Physische Lernorte, wo analoger Austausch stattfinden kann. Es sind nicht immer grosse Weiterbildungsformate notwendig: Kurze, dafür regelmässige anwendungsorientierte Inputs wären hier hilfreich.

Wie geht es nun mit dem Projekt weiter? Was sind die nächsten Schritte?

Cloots: In Zusammenarbeit mit Partnern aus der Praxis werden wir konkrete Formate und Massnahmen entwickeln, die sowohl die Betroffenen selbst aber auch Führungskräfte unterstützen. Wir befassen uns damit, wo und für wen welche Hilfestellungen notwendig sind, dass alle davon profitieren können. Dafür sind wir noch auf der Suche nach interessierten Praxispartnern.

Foto: Debora Giammusso