Ein Skelett, ein Roboter-Arm und fahrende Tische

An der Robotik-Woche in Tokyo werden jedes Jahr die neuesten Roboter präsentiert – auch für den Pflegebereich. Sabina Misoch, Leiterin des Interdisziplinären Kompetenzzentrums an der Fachhochschule St.Gallen, hat die Messe besucht und viel Interessantes entdeckt – aber auch einiges Unnützes.

Marion Loher

Zum Abschluss ihrer dreiwöchigen Forschungsreise durch Japan besuchte Sabina Misoch, Leiterin des Interdisziplinären Kompetenzzentrums (IKOA-FHS), die Robotik-Woche. Die Messe findet jedes Jahr im Tokyo Big Sight statt. Das ist eines der grössten Messegelände von Tokyo und liegt auf der künstlich angelegten Insel Odaiba, etwas ausserhalb der Stadt.

Nachdem im vergangenen Jahr vor allem Neuheiten in der Kommunikationsrobotik präsentiert wurden, lag dieses Mal der Schwerpunkt im Pflegebereich auf der Servicerobotik. Sehr zur Freude von Sabina Misoch: «Ein Serviceroboter kann relativ einfach auf Schweizer Bedürfnisse adaptiert werden. Bei einem Kommunikationsroboter ist das vor allem wegen der Sprache praktisch unmöglich, da müsste zunächst ein neuer Prototyp programmiert werden.»

Gehen lernen mit dem Laufroboter

Ein Produkt hatte es der Altersforscherin besonders angetan: ein Exo-Skelett, auch Laufroboter genannt. «Dieses Exo-Skelett wird an den Beinen festgemacht und kann sowohl im therapeutischen als auch im pflegerischen Bereich angewendet werden», sagt sie. Zum einen könne es Menschen, die im Rollstuhl sitzen, helfen, das Gehen wieder zu trainieren. Auf der Messe sei im Rahmen eines Vortrags ein Film gezeigt worden, in dem sich eine Person dank Exo-Skelett und Neurogenese wieder bewegen konnte. Für den pflegerischen Bereich sieht Sabina Misoch zum anderen das Skelett als Hilfe für die Fachpersonen beim Heben der Patientinnen und Patienten. «Ich habe mit vielen Pflegefachleuten gesprochen und oft klagen diese über Rückenbeschwerden. Mit solchen Robotern respektive Exo-Skeletten würden die Fachkräfte enorm entlastet werden», ist die Altersforscherin überzeugt.

Zu verspielt und zu niedlich

An der Messe wurden aber auch Roboter oder roboterähnliche Objekte vorgeführt, die bei Sabina Misoch nur Stirnrunzeln oder Kopfschütteln auslösten. «Ich habe mich dann immer gefragt, wer das wohl brauche. Meistens waren diese Dinge zu verspielt, zu niedlich und für uns sehr befremdlich, aber anscheinend haben die Japanerinnen und Japaner Freude an diesem verspielten und eher kitschigen Design», sagt sie und erzählt von einem Roboter-Arm, der die traditionelle japanische Teezeremonie übernimmt. Er bereite den klassischen Grüntee zu und serviere ihn. «Das war zwar schön zum Anschauen, aber nicht wirklich brauchbar für Seniorinnen und Senioren.»

Auf mehr Interesse stiess bei Sabina Misoch der automatische Tisch, der in der Wohnung herumfährt und die Getränke bringt. «Solche Tische können für betagte, immobile Menschen eine grosse Hilfe sein und wären von der Idee her auch bei uns eine Option.» Ebenfalls für sinnvoll hält sie das Sensorsystem, das vor allem für Angehörige von Pflegebedürftigen gedacht ist. «Es gibt den Angehörigen mehr Sicherheit, da es ihnen sofort eine SMS schickt, wenn beispielsweise die Haustüre geöffnet wird. Die Angehörigen können dann sofort reagieren, insbesondere dann, wenn sie wissen, dass die betroffene Person eigentlich das Haus nicht verlassen wollte.»

Die einen sind erfolgreich, andere weniger

Einige Roboter hatte Sabina Misoch bereits bei ihrem letztjährigen Besuch gesehen, andere waren dieses Mal nicht mehr dabei. «Japan hat im Moment viele Start-ups mit vielen Ideen. Da ist es gut möglich, dass einige Ideen zum Fliegen kommen und andere sterben.» Nächstes Jahr möchte sie die eigens für Start-ups organisierte Veranstaltung in Tokyo besuchen. Dort werden Produkte im Frühstadium präsentiert, und solche würde sie auch für ihr Living Labs Konzept suchen. Welche Erkenntnisse zieht die Altersforscherin aus der dreiwöchigen Japanreise? «Die Japaner sitzen derzeit an den gleichen Themen wie wir. Sie sind uns nicht mehr so weit voraus wie auch schon, und das ist doch etwas beruhigend.»

Fotos: Sabina Misoch