Living Lab 65+: Hilfen für Seniorinnen und Senioren im Test

Technische Assistenzsysteme können ältere Menschen dabei unterstützen, länger selbstständig zu Hause zu leben. Ein gezielter Einsatz solcher Assistenzsysteme ist jedoch nur im Falle einer guten Akzeptanz der Nutzerinnen und Nutzer möglich. Ein lebendiges Labor («Living Lab») soll Berührungsängste abbauen und prüfen, ob die Produkte den tatsächlichen Bedürfnissen der Seniorinnen und Senioren entsprechen.

Stephanie Lehmann und Cora Pauli, FHS St.Gallen

Mit einem «lebendigen Labor» (Living Lab) testet das Interdisziplinäre Kompetenzzentrum der FHS St.Gallen technische Assistenzsysteme in der alltäglichen häuslichen Umgebung von Seniorinnen und Senioren, um herauszufinden, ob sich neue technische Hilfen für die Zielgruppe eignen und ihren Bedürfnissen entsprechen.

Im häuslichen Labor

Diese Herangehensweise unterscheidet sich von der zeitlich limitierten künstlichen Laborsituation und verspricht bessere Erkenntnisse, weil es die Nutzerinnen und Nutzer in die Entwicklung und Bewertung der Produkte miteinbezieht. Privathaushalte, Servicewohnungen und auch betreute Wohnformen bilden zusammen ein Netzwerk, ein «Labor», das in den verschiedenen Phasen einer Produkt- oder Dienstleistungsentwicklung mitwirkt. Zielgruppen sind Menschen ab 65 Jahren, deren Angehörige und Personen, die im Rahmen ihrer professionellen Tätigkeit mit Älteren zu tun haben (Pflegende, Ärzte).

Ältere Menschen bewerten Technik

Für ein besseres Verständnis der Bedürfnisse und der Akzeptanz von Assistenzsystemen werden zu verschiedenen Zeitpunkten mittels qualitativen und quantitativen Methoden Daten erhoben. Ein erstes Living Lab wurde bereits aufgebaut und 15 Haushalte testeten ein technisches Assistenzsystem. Das Produkt bestand aus verschiedenen Sensoren (Rauch-, Feuchtigkeits-, Bewegungsmelder mit verbundener LED Lichtleiste, Blutdruckmessgerät, GPS-Tracker, Türöffnungssensor), die mit einer Hauszentrale verbunden waren. Die Sensoren wurden bei den teilnehmenden Haushalten installiert und während drei Monaten getestet.

Was fördert oder hemmt die Akzeptanz?

Aus dem erhobenen Datenmaterial wurden verschiedene Verbesserungsvorschläge abgeleitet. Beispielsweise war die Reichweite der Funkverbindung in einer mehrere Stockwerke umfassenden Wohnung unzureichend, oder das Licht der LED-Lichtleiste wurde als zu grell empfunden. Darüber hinaus konnten verschiedene Erkenntnisse im Bereich Technikakzeptanz gewonnen werden. Akzeptanzfördernd sind klare Funktionen, einfache Bedienung und Wartung, ein erkennbarer Mehrwert des Technikprodukts, günstige Anschaffungs- und Unterhaltskosten sowie ein guter Zugang zu Servicedienstleistungen. Akzeptanzhemmend sind eine hohe Bedienungskomplexität, Fehlfunktionen oder Stigmatisierungen, die mit dem Gerät verbunden sind.

«Lebendige Labore» schweizweit

Aktuell baut das Interdisziplinäre Kompetenzzentrum verschiedene Living Labs in der Schweiz auf. Im Rahmen des nationalen Innovationsnetzwerks «Alter(n) in der Gesellschaft» wird das bestehende Netz aus Privathaushalten schweizweit erweitert. Im Fokus stehen die Nutzerfreundlichkeit für Seniorinnen und Senioren sowie die Implementierung und nachhaltige Verbreitung der Living Lab-Methode. Der Ansatz gewinnt auch europaweit an Bedeutung. So wird im Rahmen der Internationalen Bodenseehochschule (IBH) am Projekt «IBH Living Lab Active & Assisted Living» gearbeitet, um ein «lebendiges Labor» in der Bodenseeregion zu etablieren. An dem Projekt sind 12 Hochschulen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie unterschiedliche Sozialdienstleister und Technologieanbieter beteiligt.

Nutzung und Akzeptanz

Der Living Lab-Ansatz hat grosses Potenzial im Bereich der Forschung und Entwicklung. Denn in der realweltlichen Lebensumgebung entwickelte und langzeitlich getestete Technologien oder Dienstleistungen führen zu validen und belastbaren Daten hinsichtlich Nutzung, Usability und Akzeptanz. Die auf diese Weise entwickelten Innovationen führen zu verbesserten Produkten.

Der Beitrag ist im Campus der FHO Fachhochschule Ostschweiz erschienen.