Seniorinnen und Senioren wollen nicht abgehängt werden

Die Digitalisierung der Dienstleistungen nimmt zu, der persönliche Kundenkontakt wird weniger. Was bedeutet das für Seniorinnen und Senioren? Diese und andere Fragen standen im Zentrum der Tagung «Digitalisierung und Alter. Zur Nutzung digitaler Dienstleistungen bei Menschen 65+» vom 13. September in Stein am Rhein. Organisiert wurde die Tagung vom Interdisziplinären Kompetenzzentrum Alter IKOA-FHS und von der Stiftung Think Tank Thurgau.

Für Matthias Mölleney, Präsident von Think Tank Thurgau, ist klar: «Der Zugang zur Digitalisierung ist entscheidend, ob jemand dazugehört oder nicht.» Adrian Bossart, Leiter Marketing Service der Migros Ostschweiz, präzisiert: «Wir müssen älteren Menschen Instrumente für den Zugang zu digitalisierten Dienstleistungen zur Verfügung stellen, damit sie nicht abgehängt werden.» Seniorinnen und Senioren wollen nicht abgehängt werden. Für viele gehören Self-Service-Technologien bereits zum Alltag. Dies zeigt eine Studie des IKOA-FHS. Unter der Leitung von Sabina Misoch wurden in diesem Jahr zwischen März und Juli 535 Frauen und Männer im Alter von 65+ aus der Deutschschweiz zu ihren Erfahrungen bei der Nutzung von digitalisierten Dienstleistungen befragt. Die Studie kam zum Schluss, dass die meisten Teilnehmenden eine oder mehrere digitale Dienstleistungen wie Geld- oder Bankautomaten (68 Prozent), Informationen aus dem Internet (68 Prozent) sowie E-Banking (48 Prozent) nutzen. Geschätzt wird die Zeitunabhängigkeit, Schnelligkeit und Effizienz von digitalen Dienstleistungen.

«Viele Seniorinnen und Senioren gaben allerdings auch an, dass ihnen der zwischenmenschliche Kontakt fehlt», sagt Sabina Misoch vom IKOA-FHS. «Ausserdem befürchten sie, dass Nicht-Nutzende benachteiligt werden.» Wichtig sei, so Roland Grunder vom Schweizer Seniorenrat, dass eine Nutzung nicht zum Zwang werde. Wird es für Nicht-Nutzende oder Digitalisierungsverweigernde aber auch künftig Platz haben? «Sie müssen weiterhin Platz haben», sagt Roland Grunder, und Sabine Brenner vom Bundesamt für Kommunikation fügt hinzu: «Es wird nie alles digitalisiert sein, es wird immer andere Zugänge geben müssen.»

Gefahr von Internet-Betrügerei

Sabine Brenner gab in ihrem Vortrag Einblick in die Strategie des Bundes zur Digitalisierung in der Schweiz. Die Schweiz sei «hervorragend» vorbereitet, sagt sie, es gebe nur noch wenige Haushalte, die keinen Internetzugang hätten. «Die Digitalisierung ist praktisch, bringt Unternehmen ein enormes Sparpotenzial, eine bessere Kundenbindung sowie die Möglichkeit, Engpässe zu beheben», zählte sie die Vorteile auf. Ihrer Erfahrung nach würden ältere Menschen das Internet «kompetent und verantwortungsvoll» nutzen. Trotzdem bestehe bei dieser Altersgruppe gemäss Schweizer Kriminalprävention ein leicht erhöhtes Risiko, Opfer von Vertragsbetrügereien und Online-Heiratsschwindelei zu werden.

Neue soziale Plattformen vorgestellt

Nebst der Vertreterin des Bundes traten an der Tagung weitere Referentinnen und Referenten auf. So wurde beispielsweise über «Neue Wege zur digitalen Inklusion» und «Digitale Barrierefreiheit» bei den SBB diskutiert. Zudem wurden das Projekt der digitalen Nachbarschaften und die soziale Plattform rentnerado.ch vorgestellt. Letztere ist eine generationenübergreifende Community-Plattform, auf der jüngere Generationen aktive Rentnerinnen und Rentner engagieren können. Hinter Rentnerado stehen drei Jungunternehmer, die sich während des Studiums an der Hochschule Luzern kennengelernt haben, die Fachhochschule ist eine der Partnerinnen. Mit ihrer Plattform möchten die Jungunternehmer den Austausch unter den Generationen fördern. «Rentnerado ermöglicht es jüngeren Generationen an der Lebenserfahrung, dem Know-How und den Fähigkeiten von Rentnerinnen und Rentnern teilzuhaben», sagt Admir Trnjanin, einer der drei Jungunternehmer. Rentnerado ist bereits in über 465 Schweizer Gemeinden aktiv und hat eine Community von über 2000 Nutzerinnen und Nutzern. Wichtig sei bei digitalen Dienstleistungen, dass Menschen über 80 Jahren nicht exkludiert würden, sagt Sabina Misoch mit Blick auf die Ergebnisse ihrer Studie zur Nutzung von digitalen Dienstleistungen im Alter.

Bildlegende: Podium der Tagung «Digitalisierung & Alter»: von links nach rechts: Matthias Mölleney (Präsident des Stiftungsrats Think Tank Thurgau), Adrian Bossart (Leiter Marketing Migros Ostschweiz), Annemarie Schumacher (Interdisziplinäres Kompetenzzentrum Alter FHS St.Gallen), Sabina Misoch (Interdisziplinäres Kompetenzzentrum Alter FHS St.Gallen), Rudolf Garo (Schweizer Seniorenrat), Sabine Brenner (Bundesamt für Kommunikation).

Text: PD
Foto: zVg.