Turnen mit dem Roboter

Er erklärt, zeigt Übungen vor und lobt: An der Fachhochschule St.Gallen wird derzeit getestet, ob sich Roboter NAO dazu eignet, Seniorinnen und Senioren zu Hause für Turnübungen zu motivieren.

Marion Loher

NAO schläft. Das erkennt man an seinen pinken Augen. «Um ihn aufzuwecken, müssen Sie ihm die Hand auf den Kopf legen», sagt ETH-Studentin Zoe Brack zu Hubert. Der 74-Jährige berührt mit der Hand den Kopf des Roboters und NAO bewegt sich. Seine Augen sind jetzt blau. «Das bedeutet, er nimmt Sie wahr und kann Sie hören.» Hubert stellt sich direkt vor den Roboter, der ihm knapp bis zu den Oberschenkeln reicht, und sagt: «Übung eins.» NAO beginnt die erste Gymnastikübung zu erklären. Es ist der Ausfallschritt, der sowohl mit dem linken Bein als auch mit dem rechten acht Mal wiederholt werden soll.

In der für Roboter typisch einfachen Sprache listet er die Vorteile des Trainings auf und sagt auch, worauf zu achten ist. «Die Übung sollte keine Schmerzen machen. Wenn doch, dann muss sie abgebrochen werden.» Dann geht’s los: NAO schiebt sein rechtes Bein langsam nach vorne und geht leicht in die Knie. Hubert macht die Übung nach. Zuerst das rechte Bein, dann das linke. Nach 16 Wiederholungen ist die erste Einheit beendet. «Toll gemacht», lobt der Roboter.

Sabina Misoch, Leiterin des Interdisziplinären Kompetenzzentrum Alter IKOA-FHS, hat NAO auf einer ihrer Japan-Reisen kennengelernt und möchte ihn auch in der Schweiz einsetzen. Zurzeit wird der Roboter an der Fachhochschule St.Gallen auf seinen Einsatz in den Living Labs vorbereitet. Dazu gehört unter anderem auch, herauszufinden, wie gut sich NAO eignet, Seniorinnen und Senioren für Gymnastikübungen zu motivieren und sie hierfür anzuleiten und wie praktikabel er für den Einsatz im privaten Zuhause ist.

Während Monaten programmiert

Zunächst aber musste der Roboter die Trainingseinheiten selber lernen. ETH-Studentin Zoe Brack hatte im Rahmen ihrer Master-Arbeit – sie studiert Gesundheitswissenschaften und Technologie – NAO in den vergangenen Wochen und Monaten programmiert und ihm die Gymnastikübungen beigebracht.

Hubert ist einer der Senioren und Seniorinnen, die den Roboter auf seine Funktionstüchtigkeit bezüglich der Bewegungsförderung von älteren Menschen zu Hause testen. Ein erster Durchlauf fand kürzlich an der FHS statt, danach wird der 74-Jährige den Roboter während einer Woche zu Hause prüfen. Vorgesehen sind drei Übungseinheiten pro Woche.

Beim dritten Mal klappt es

Eine Trainingseinheit besteht aus drei Kraft- und drei Gleichgewichtsübungen. Bei einer davon müssen die Seniorinnen und Senioren auf die Zehenspitzen stehen, das Gleichgewicht halten und den Fuss wieder abstellen. Hubert will mit der Übung beginnen, doch der Roboter reagiert nicht. «Er kann Sie nicht erkennen», sagt Zoe Brack, «das zeigt seine Augenfarbe. Sie ist weiss.» Die Studentin weist den Senior an, es mit klatschen zu versuchen. Hubert geht etwas in die Knie, klatscht vor den Augen des Roboters in seine Hände und sagt: «Übung zwei.» Er macht es einmal, zweimal, aber NAO reagiert nicht. Er scheint abgelenkt zu sein. «Das haben wir schon öfters beobachtet, dass NAO beim ersten Mal nicht reagiert», sagt die ETH-Studentin. Das müsse noch angepasst werden.

Hubert versucht es ein drittes Mal, und siehe da, es klappt. Die Augenfarbe des Roboters wechselt zu blau. Er bewegt seinen Kopf in Richtung Testperson und beginnt mit der Anleitung für die Zehenspitzen-Übung. Ein kleines Schmunzeln kann sich dann auch Testperson Hubert nicht verkneifen als NAO sagt: «Ich kann bei dieser Übung leider nicht mitmachen, sonst verliere ich das Gleichgewicht.» Nach zehn Wiederholungen gibt es wieder Lob für den Senior. «Vorbildlich machen Sie das», sagt NAO und instruiert die Testperson für die nächste Trainingseinheit.

Foto: Marion Loher