Von singenden Puppen und turnenden Hunden

Ein Höhepunkt auf der Forschungsreise durch Japan war für Sabina Misoch, Leiterin des Interdisziplinären Kompetenzzentrums Alter der Fachhochschule St.Gallen, der Besuch in einem Altersheim, in dem Robotik-Therapien angeboten werden.

Marion Loher

«Die Therapiesitzung hat mich sehr berührt», sagt Sabina Misoch. Die Leiterin des Interdisziplinären Kompetenzzentrums (IKOA-FHS) war auf ihrer Japan-Forschungsreise eingeladen worden, an einer Robotik-Therapiesitzung für Menschen mit Demenz teilzunehmen. Dafür reiste die Altersforscherin zusammen mit ihrem japanischen Forscherkollegen in den Nordwesten von Tokio in ein Altersheim, in dem seit mehreren Jahren eine Robotik-Therapie für an Demenz erkrankte Menschen angeboten wird.

«Menschen mit Demenz zeigen oft keine Reaktionen. Doch bei dieser Therapie-Sitzung war es sehr schön mit anzusehen, wie sich die Menschen im Laufe der Sitzung öffneten und begannen, mit den Robotern zu interagieren», erzählt Sabina Misoch.

Worauf Frauen und Männer reagieren

Bei der Therapie wurden verschiedene Objekte verwendet. «Das eine war eine Puppe, etwa 30 bis 40 Zentimeter gross, mit einem Knopf in beiden Handflächen. Nimmt man die Puppe in die Arme und drückt auf den Knopf, beginnt sie alte japanische Lieder zu singen.» Vom Singen wisse man, so die Altersforscherin, dass damit viele alte Erinnerungen abgeholt werden könnten, da die Lieder aus der Kindheit oder Jugendzeit oft noch sehr präsent seien. «Eine Frau hat die Puppe fest in den Arm genommen und dabei über das ganze Gesicht gestrahlt. Immer wieder hat sie mit der Puppe gesprochen und sie gestreichelt. Das war wirklich sehr beeindruckend.» Interessant sei ausserdem gewesen, dass die Männer auf die singende Puppe überhaupt nicht reagiert hätten.

Mehr Interesse zeigten sie dann aber beim Ballspiel mit dem Roboterhund. Dabei hatte der Hund ein etwa 30 Zentimeter grosses Körbchen auf dem Rücken geschnallt. «Alle, die an der Sitzung teilnahmen, wurden in zwei Gruppen eingeteilt», erklärt Sabina Misoch das Spiel. «Die Teilnehmenden bekamen 20 Tischtennis-Bälle, die einen weisse, die anderen orangefarbige.» Dann begann das Spiel: Der Roboterhund lief hin und her und die Heimbewohnerinnen und -bewohner mussten versuchen, die Bälle ins Körbchen zu werfen.

«Ein Mann, der zuvor ziemlich passiv auf dem Stuhl gesessen hatte, taute richtig auf. Sein Ehrgeiz schien geweckt zu sein, er war mit grossem Engagement dabei. Auch die anderen Teilnehmenden konnten gar nicht genug bekommen vom Ballspiel.» Für die Altersforscherin sei spannend gewesen zu sehen, mit welch einfachen spielerischen Mitteln die an Demenz erkrankten Menschen aktiviert werden konnten. Auch bei den Gymnastikübungen, die von speziell programmierten Roboterhunden vorgezeigt wurden, machten die Betagten fleissig mit.

Fern von jeglichen Klischees

Der Besuch im Altersheim hat bei Sabina Misoch einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Zum einen, weil es nicht das hoch technologisierte Heim war, wie man es sich vielleicht in Europa vorstellte. «Alles war einfach eingerichtet. Die Bewohnerinnern und Bewohner schlafen in Vier-Bett-Zimmern, was bei uns unmöglich wäre.» Zum anderen, weil die doch relativ einfache Art von Therapie sowohl für Menschen mit Demenz als auch für kognitiv gesunde Seniorinnen und Senioren auch in der Schweiz grosses Potenzial hätte. «Letztlich geht es darum, die Heimbewohnerinnen und -bewohner zu aktivieren und zur Kommunikation und Interaktion anzuregen. Die Robotik-Therapie im japanischen Altersheim hat gezeigt, dass dies möglich ist.»

Fotos: Sabina Misoch